Im­mo­bi­li­en­käu­fer be­kom­men vom Bun­des­ge­richts­hof vor­aus­sicht­lich weit­rei­chen­de Mög­lich­kei­ten, um trotz einer Ge­set­zes­re­form Män­gel ein­kla­gen zu kön­nen. Es er­schei­ne nicht sinn­voll, dass nur noch Ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaf­ten gegen Män­gel an ge­mein­schaft­li­chem Ei­gen­tum vor­ge­hen könn­ten, sagte die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin des fünf­ten Zi­vil­se­nats, Bet­ti­na Brück­ner, am Frei­tag in Karls­ru­he. Es wäre für Be­trof­fe­ne „ex­trem schlecht“, wenn sie nicht auch ein­zeln wegen Män­geln kla­gen könn­ten. Es gehe um ein „ganz, ganz drin­gen­des Pro­blem für die Pra­xis“, so die Rich­te­rin. Das Ur­teil will Brück­ner am 11. No­vem­ber ver­kün­den.

Grundsätzliche Bedeutung für Altfälle

Auch nach Einschätzung von Julia Wagner vom Eigentümerverband Haus & Grund könnte das Verfahren um ein Grundstück in München grundsätzliche Bedeutung für zahlreiche Altfälle haben. Hintergrund des Rechtsstreits ist, dass es im Wohnungseigentumsgesetz in der bis zum 30.11.2020 geltenden Fassung einen Paragrafen gab, aus dem abgeleitet wurde, dass Eigentümergemeinschaften Mängelrechte aus individuellen Kauf- oder Werkverträgen der Erwerber durch Beschluss an sich ziehen und durchsetzen können. Bei einer Gesetzesreform entfiel diese Regelung der „Vergemeinschaftung durch Beschluss“ aber ersatzlos. Fachleute ziehen daraus bislang unterschiedliche Schlüsse, wer nun Prozesse führen darf.

BGH-Hinweis zur Vorgehensweise nach Reform

In diesem Zusammenhang weist der BGH darauf hin, dass er 2021 nach der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes entschieden hatte, was mit Verfahren ist, die einzelne Wohnungseigentümer vor der Änderung begonnen hatten: Sie dürfen ihre Prozesse weiterführen – solange die Eigentümergemeinschaft nicht aktiv einschreitet und dies schriftlich dem jeweiligen Gericht mitteilt.

Konkreter Fall: Schadstoffbelastung im Boden

Im konkreten Fall verlangen die neuen Wohnungseigentümer von einer Immobilienfirma die Sanierung eines schadstoffbelasteten Grundstücks. Ferner wollen sie, dass die Altlasten als Mangel anerkannt werden. Bei einer Untersuchung des Bodens auf einer zugeschütteten Kiesgrube war aufgefallen, dass das Grundstück mit Benzo(a)pyren belastet ist. Die Substanz gilt als giftig, umweltgefährlich und krebserregend. Im Innenhof befinden sich laut Richterin Brückner unter anderem Kinderspielflächen. Ein Gutachter hatte laut BGH vorgeschlagen, dort den Boden bis zu einer Tiefe von 30 Zentimetern auszutauschen. Das Immobilienunternehmen ließ aber nur 20 Zentimeter des Oberbodens sanieren. Eine einst geplante Tiefgarage, derentwegen tiefere Schichten entfernt worden wären, wurde nie gebaut.

WEG zieht Rechtsstreit an sich und klagt

In Eigentümerversammlungen 2014 und 2015 beschlossen die Wohnungsbesitzer mehrheitlich, die „Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ wegen Altlasten im Innenhof und im südlichen Außenbereich gerichtlich geltend zu machen. Zuletzt verurteilte das Oberlandesgericht München die Immobilienfirma zur Beseitigung der Altlasten – jedoch nur, soweit jeweils der Wert von 0,5 Milligramm Benzo(a)pyren je Kilogramm überschritten wird. Das Unternehmen will beim BGH erreichen, dass die Klage abgewiesen wird. Die Eigentümer wiederum möchten, dass ihrer Klage vollumfänglich stattgegeben wird.

BGH wird Rechtssache voraussichtlich zurückverweisen

Das Verfahren wird vom BGH voraussichtlich zurückverwiesen, weil wichtige Fragen in den vorherigen Instanzen nicht geklärt worden seien. Es gebe beispielsweise keine Erkenntnisse über die Belastung in tieferen Bodenschichten, erläuterte Richterin Brückner. Diskutiert wurde auch darüber, dass die Verkäuferin Verträge trotz des Wissens um mögliche Altlasten, aber ohne detaillierte Hinweise darauf geschlossen hatte.

(Quelle: Beck online)