Verkäufer von Immobilien müssen Käufer über anstehende Sanierungskosten ausreichend aufklären. Unterlagen dazu drei Tage vor dem geplanten Vertragsabschluss ohne entsprechenden Hinweis in einen virtuellen Datenraum zu stellen reicht aus Sicht des BGH nicht aus.
Eine Firma hatte mehrere Gewerbeeinheiten im Ihme-Zentrum in Hannover für mehr als 1,5 Millionen Euro gekauft. Im Kaufvertrag versicherte die Verkäuferin, dass keine Beschlüsse gefasst seien, aus denen sich eine künftig Sonderumlage ergebe und nach ihrer Kenntnis keine außergewöhnlichen Sanierungen bevorstehen, deren Kosten durch die Instandhaltungsrücklage nicht gedeckt sind. Weiter hieß es im Vertrag, die Verkäuferin habe der Käuferin Protokolle der Eigentümerversammlungen der vergangenen drei Jahre übergeben, und die Käuferin kenne den Inhalt der Unterlagen.
Im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen erhielt die Käuferin Zugriff auf einen von der Verkäuferin eingerichteten virtuellen Datenraum, der verschiedene Unterlagen zu dem Kaufobjekt enthielt. Drei Tage vor Vertragsschluss im März 2019 stellte die Verkäuferin dort das Protokoll einer Eigentümerversammlung aus dem Jahr 2016 ein, aus dem sich ergab, dass auf die Käuferin Kosten von bis zu 50 Millionen Euro für die Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums zukommen könnten. Weil die Mehrheitseignerin nicht zahlen wollte, landete der Fall 2020 vor Gericht. Das Verfahren endete mit einem Vergleich, nach dem die Eigentümer der Gewerbeeinheiten eine Sonderumlage zahlen sollten.
Daraufhin focht die Käuferin den Kaufvertrag an. Das Protokoll sei „klammheimlich“ hochgeladen und ihr somit „untergeschoben“ worden. Ein Verkäufer müsse in einem Datenraum von vornherein ein umfassendes Bild vermitteln. Wenn etwas nachgeschoben wird, müsse er darauf hinweisen. Die Verkäuferin stellte sich auf den Standpunk, dass die Käuferin den Vertragstext gekannt habe. Wenn sie keine Nachfragen stelle, sei das „strammes Verschulden gegen sich selbst“.
Verkäuferin hat vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt
Das Oberlandesgericht Celle hatte die Verantwortung vor allem bei der Käuferin gesehen, sich alle nötigen Informationen vor Vertragsabschluss zu besorgen. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil nun im Wesentlichen auf. Die Verkäuferin habe hinsichtlich des Kostenumfangs für die anstehenden Sanierungsmaßnahmen ihre vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt.
Der BGH hat insofern seine Rechtsprechung zu übergebenen Papier-Unterlagen sinngemäß auf virtuelle Dokumente in einem Datenraum übertragen: Nur weil der Verkäufer dem Käufer Zugriff auf offenbarungspflichtige Daten ermögliche, heiße das nicht, dass dieser die Daten auch zur Kenntnis nehme. Der Verkäufer könne davon nur ausnahmsweise ausgehen, etwa bei einer Due Diligence durch den Käufer. Wichtige Unterlagen drei Tage vor Vertragsschluss hochzuladen, sei jedenfalls zu knapp. Die Verkäuferin habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass die Käuferin die Dokumente noch zur Kenntnis nimmt, und hätte sie deshalb darauf hinweisen müssen.
Unabhängig von der vorvertraglichen Aufklärungspflicht komme ein Schadensersatzanspruch der Klägern in Betracht, weil die Verkäuferin erklärt habe, dass nach ihrer Kenntnis keine außergewöhnlichen, durch die Instandhaltungsrücklage nicht gedeckten Kosten anstünden. Angesichts der ausstehenden baulichen Maßnahmen im Umfang von 50 Millionen Euro sei diese Angabe wohl zumindest unvollständig gewesen sein. Nun muss das OLG nochmal ran.
BGH, Urteil vom 15.09.2023 – V ZR 77/22
(Quelle: Redaktion beck-aktuell, 15. Sep 2023 (ergänzt durch Material der dpa)